Iso
Auch sein großer Gegner Scipio erfreute sich keines ruhigen Alters.
Don Neid und Mißgunst verfolgt, von den Tribunen angeklagt, er habe von
der Beute unterschlagen, von dem alten Cato als ein Griechenfreund ver-
lästert, wurde er endlich der Stadt überdrüssig und begab sich auf sein Land-
gut Liternum. Dort starb er und ließ sich auf seinen Grabstein schreiben: Un-
dankbare Vaterstadt, du sollst meine Gebeine nicht haben!
Diese 2 Helden aus Afrika und Italien begleitete der letzte Grieche, Phi-
lopömen, in die Unterwelt. In Griechenland nämlich hatten die alten Streitig-
keiten wieder begonnenj ehrgeizige Männer verführten bald diese bald jene
Stadt, mehr Rechte zu verlangen, als eine kleinere hatte, oder sich vom
Bunde loszusagen; so entstanden unaufhörliche Neckereien, welche die Ent-
wicklung des Gemeingeistes hemmten und den Rest der Kraft und Bürgertugend
aufzehrten. Messene war von gewissenlosen Männern verführt abgefallen'
Philopömen zog gegen die Abtrünnigen aus, stürzte aber in einem Reiter-
gefechte vom Pferde und wurde gefangen. Der greise Held wurde in einen
unterirdischen Kerker geworfen und trank dort mit unerschütterter Seele den
Giftbecher, den ihm seine Feinde reichte». Was half es, daß die Achäer
seinen Tod blutig rächten, der letzte Grieche erstand nicht wieder'
Kechszehnles Kapitel.
Perseus, der letzte König von Macedonie«.
Lchlacht bei Pydna. (168.J
König Philipp ftarb während feiner Rastungen gegen die Römer, und
auf ihn folgte sein lasterhafter Sohn Perseus, auf dessen Anstiften er den
älteren, Demetrius, als einen Freund der Römer hatte hinrichten lassen. Per-
seris fing wohlgerüstet den Krieg mit den Römern an und erfocht in den ersten
Jahren wirklich einige Vortheile, aber war nicht geschickt genug dieselben zu
benutzen. So ließ er auch die Schätze brach liegen, welche sein Vater aufge-
häuft hatte um Soldaten und Bundesgenossen zu werben. Auf seinen Ruf
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Extrahierte Personennamen: Scipio Scipio Cato Philipp Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Italien Griechenland
79
Ein solcher war z. B. Thaies, ein Zeitgenosse des Gesetzgebers Solon,
Lenophanes, Anarimander, Anaragoras u. s. w. Am berühmtesten unter
diesen Männern wurde Pythagoras von der Insel Samos (580 — 300),
welcher meistens in der Stadt Croton lebte und lehrte. Er suchte seinen
Schülern Bescheidenheit, Mäßigkeit und Sanftmuth er er-
munterte fte zum Studium der Mathematik, welche er durch einen wich-
tigen von ihm erfundenen Satz bereicherte. Eben so erzog er ste zur Liebe
städtischer Freiheit, zum Hasse der Tyrannei, ob von einzelnen Zwingherrn
oder vom Pöbelhaufen ausgeübt. Seine Schüler, Pythagoräer genannt,
verbreiteten stch überall hin, wo Griechen wohnten und lebten in einer
Verbrüderung; ste erkannten einander an bestimmten Zeichen, versammelten
sich in eigenen Häusern und unterstützten stch in Noth und Gefahr. Dem
andern Volke wurden sie aber eben dadurch verhaßt, und vielleicht noch mehr
durch gewisse Eigenthümlichkeiten, daß sie z. B. kein Fleisch und keine Boh-
nen aßen, eine Seelenwanderung glaubten u. s. w. Dieser Haß brach in
den Städten Großgriechenlands in blutige Verfolgung aus; viele Pytha-
goräer wurden getödtet und die Gesellschaft geächtet oder zersprengt. Andere
Männer strebten nach gleichem Ziele; sie suchten die Natur zu ergründen
und auch die Tiefen des menschlichen Geistes, und geriethen zum Theil auf
vielfache Abwege, indem sie keine Forschungen anstellten, sondern alles durch
Schlüffe enträthseln wollten; diese Männer wurden vom Volke verspottet
und geriethen wohl in Lebensgefahr, wenn sie z. B. wie Anaragoras sag-
ten, die Sonne sei eine glühende Masse, denn im Volksglauben war sie ja
ein Gott. Andere sprachen über die Einrichtungen des Staates, über
Gesetzgebung, Gerechtigkeitspflege und Kriegswesen, als ob sie die größte
Zeit ihres Lebens Richter oder Soldaten gewesen wären und die mannig-
faltigsten Erfahrungen gemacht hätten. Da sie aber sehr fertige Sprecher
waren, ihre Worte künstlich zu stellen wußten und alles zu kehren und
zu wenden verstanden, so konnte nicht leicht ein anderer mit ihnen anbin-
i»en, und viele jungen Leute, welche einmal Aemter bekleiden wollten, gingen
zu ihnen um rechte Sprecher und Redner zu werden und bezahlten ihnen
dafür schweres Geld. Diese Männer nannten oder ließen sich Sophisten
„Weise" nennen, da sie aber ihre Weisheit feil boten, so konnten sie wohl
-.Weisheitskrämer" geheißen werden; der berühmteste unter diesen Sophisten
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aufgehalten wurde; während dieser Fahrt aber durfte in Athen kein Ver-
urtheilter hingerichtet werden. So konnten seine treuen Schüler noch einige
Tage länger um ihn sein; einer derselben, Criton, hatte den Kerkermeister
bestochen und Socrates konnte entfliehen, wollte aber nicht, und verwies
seinem Freunde sanft, daß er ihn habe zum Ungehorsame gegen seine
Vaterstadt verleiten wollen. Socrates wünschte nämlich zu sterben; er
wollte durch die Thore des Todes in den Tempel der Wahrheit eingehen:
all sein Denken und Forschen hatte ihm ja nur das Geständniß verschafft:
ich weiß, daß ich nichts weiß. An seinem Todestage sprach er mit seinen
Schülern über die Unsterblichkeit der Seele; von seiner Hoffnung, im
Jenseits ein schöneres und helleres Leben zu beginnen, von denk das jetzige
nur ein Wiederschein sei; er tröstete die Weinenden, und als der Abend kam
und der Augenblick, wo er den Giftbecher trinken mußte, that er es nrit
unerschüttertem Gemüthe. Dann ging er einige Augenblicke aus und ab,
wie ihm der Gefangenwärter gesagt hatte, bis er Müdigkeit in den Beinen
spürte, legte sich nieder, verhüllte sein Haupt und starb. — Bald bereuten
die Athener ihre Sünde, setzten ihm Ehrensäulen und bestraften seine An-
kläger. Unter seinen Schülern ist Platon der ausgezeichnetste, der wie sein
Meister von der Ahnung des Göttlichen beseelt war und Jahrhunderte lang
durch Schriften und Schüler in vielen tausend Menschen den Glauben an
etwas Höheres erweckt und erhalten hat. Platons Schüler, Aristoteles,
vielleicht der scharfsinnigste unter allen Denkern, wurde der Vater der Logik
oder Denklehre und der Naturwissenschaften, und die Reste seines Werkes
über die verschiedenen Verfassungen, sein Buch über den Staat geben uns die
Ueberzeugung, daß ihm auch hierin keiner der Alten an Schärfe der Beob-
achtung und Klarheit des Urtheils gleich kam. Dieser außerordentliche
Mann erzog Alexander, den Sohn des macedouischen Philipp, der Griechen-
land unterwarf.
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Extrahierte Personennamen: Platons_Schüler Aristoteles Alexander Alexander Philipp Philipp
*211
Die Neubekehrten behielten nur die wichtigsten Glaubenslehren, z. B. von dein
dreieinigen Gotte, und daran erinnerte sie das Bekreuzen; das christliche
Glaubensbekenntniß, das Gebet des Herrn. Erst im Laufe vieler Jahrhun-
derte konnte es hieriir anders werden und der gemeine Mann auf eine höhere
Stufe der Erkenntniß gebracht werden. Es war schon viel gewonnen, daß
unsere Vorfahren die christliche Religion als die Religion des Lebens aner-
kannten und die Götzen verließen. Die Menschenopfer hatten nun ein Ende,
die Leibeigenen wurden auch wieder als Menschen betrachtet, und ihr Loos
wurde allmälig gemildert. Die Glauvensboten waren auch Erzieher der Be-
gehrten, und sie mußten aus Vorsicht manches verbieten, was an und für
sich unschädlich war, z. B. den Alemannen das Pferdefleisch, denn diese hat-
ten sonst den Göttern Rosse geopfert, und der Genuß des Fleisches war immer
mit abgöttischen Gebräuchen verbunden. Winfried verbot den Genuß des
rohen Fleisches überhaupt, denn das ist thierisch und macht den Menschen
selbst wild. Sie zeigten aber auch, wie die Feldfrüchte und Gartengewächse
angebaut werden, und waren auch in dieser Hinsicht Lehrer des Volks.
Viertes Kapitel.
Die Klöster.
Die meisten dieser Glaubensboten begaben sich in den einsamen Wald, und
bauten sich dort eine Hütte, um in strenger Enthaltsamkeit Gott zu dienen.
Schon bei ihren Lebzeiten bauten arldere gleichgesinnte Männer sich um sie
an; da wurde nun eine Waldlichtung, man sah einen Gemüsegarten, und
rin hölzernes Kreuz auf der Hütte. Bald vereinigten sich die meisten dieser
Einsiedler zu einer übereinstimmenden Lebensordnung. Eine solche Ordnung
hatte Benedikt von Mrsia, in Unteritalien gestiftet; es ist dieses der Benediktiner-
orden, dessen Regel sich kurz dahin zusammenziehen läßt: Bete und arbeite!
Diese alten Klöster waren die einsamen Leuchten, von denen das Licht über
die deutschen Wälder ausging, die Stützpunkte der christlichen Religion, die
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und bei einer großen Kirche stieg es also beträchtlich in die Höhe, und so
mußten auch die Mauern, die es trugen, hoch sein, damit eine Ueberein-
stimmung zwischen dem untern und obern Theile des Gebäudes war. An
der Kirche erhob sich der Glockenthurm und er mußte dieselbe weit über-
lagen, sonst wäre er gleichsam verschwunden und unansehnlich geworden.
So strebte auch das Kirchenfenster empor, damit es genug Licht in die
Kirche geben und zum hohen Dache und hohen Thurme nicht im Mißver-
hältnisse stehe. Auf diese Weise hat unser nordischer Himmel selbst den Bau
einer größern Kirche den alten Baumeistern vorgezeichnet; aber was haben
diese nicht aus den gegebenen natürlichen Verhältnissen entfaltet! Man
nannte die christliche Welt „Kirche" und ein Bild der christlichen Welt sollte
ein Dom darstellen. Wie die christliche Kirche selbst steht er auf unerschütter-
lichem Fundamente und ist für die Ewigkeit gegründet; seine Form ist die
ves Kreuzes, mit dessen Namen schon Paulus seinen Glauben bezeichnet hat.
Aufwärts von der dunkeln Erde hebt der christliche Glaube den Menschen zum
Himmel und dessen Lichte; so schwingt sich von Stufe zu Stufe, von Bogen
auf Bogen das Gebäude gegen das Himmelsgewölbe, welches die Spitze des
Thurmes zu berühren scheint. Um die strebenden Pfeiler und Bögen schlingen
sich Blumengewinde und rankende Pflanzen; sehnen sich nicht die Blumen,
die dem dunkeln Schooß der Erde entkeimen, nach dem Lichte, und sind es
nicht Blüthen der Seele, die Regungen der Andacht, welche das Auge him-
melwärts richten und das menschliche Antlitz verklären? Die Rose ist es be-
sonders, deren Bild gar oft erscheinet; sie, deren Knospe verhüllt ist, quillt
gleichsam dem Lichte entgegen, blüht so wunderbar schön, duftet so herrlich,
aber sie ist mit Stacheln umgeben und verwelkt so bald, unfern Vorfahren
ein Bild des menschlichen Lebens; es wäre trostlos, wenn es nur abfiele wie
die Blume und nicht höherer Entfaltung theilhaftig wäre. Wer diese Zeichen-
sprache unserer Vorfahren kundig ist, liest noch manches aus den Verhältnissen
des Baues; so ist namentlich das Geheimniß der Dreieinigkeit in der Vorder-
seite des Tempels auf mannigfaltige aber immer großartige Weise ausgeprägt.
Dem Aeußeren entspricht das Innere; 2 Säulenreihen tragen das Gewölbe,
und wieder sind es die schlanken Spitzbögen, in welchen die Säulen auslaufen,
die ebenso der Schönheit als Festigkeit des Ganzen dienen. Die Seitenhallen
zwischen den Säulen und den Maliern sind mit Nebenaltären und Denkmälern
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S81>
Erde und verglichen sic mit dem Dotter in einem Eie, die Athmosphäre mit
dem Eiweiß, das Firmament mit der Schaale.
Die ueueu Mönchsorden.
Es entstanden neben den ritterlichen Mönchen in diesem Zeiträume noch
andere Mönchsorden; die Stifter derselben waren jedesmal von einer christ-
lichen Idee beseelt, der sie ihr Leben weihten, und sie gründeten Gesellschaften,
in welche sich diejenigen, welche den gleichen Drang empfanden, aufnehmen
lassen konnten. So stiftete Bruno von Rheims den Karthauserorden. Der
Gedanke, wie vergänglich das irdische Trachten, wie schnell vergänglich, oft
mit Bitterkeit vergällt irdischer Genuß und Freude, hatte ihn so sehr ergrif-
fen, daß er sich von der Welt zurückzog und mit Gleichgesinnten das erste
Karthäuserkloster gründete. Sie aßen kein Fleisch, schliefen auf sargähnlichem
harten Lager, grüßten einander mit memento mvii! (gedenke, daß du sterben
mußt) und kamen nur zum Gebete zusammen. Und unsen Vorfahren ärgerten
sich nicht an dieser Verschmähung der Welt und lebendigen Todesnähe, sie hiel-
ten es vielmehr für verdienstlich, daß auf diese Weise leichtsinnigere Menschen
gemahnt würden; und sie glaubten wie die Karthäuser selbst, daß ein solches
Leben der Entsagung Gott wohlgefällig sei. Ernst, doch nicht so wie dieser
Orden war der der Cisterzienser, gestiftet um 1098 und der Prämonstratenser-
vrden. Wieder eine andere Richtung verfolgten die s. g. Bettlerorden, ge-
stiftet 1228 von Franz von -Assisi und die Dominikaner 1216 von dem
Spanier Dominikus Gusmann. Den reichen Bisthümern und Benediktinern
gegenüber stellten sie das Bild der Armuth vor; sie sollten keinen Grundbesitz er-
werben, sondern vom Almosen leben, barfuß gehen, geschornen Hauptes wie ein
Knecht, predigen und dem Dienst der Seelsorge sich widmen. Daneben ent-
standen eine Menge Frauenkloster (nonnanw, ehrwürdige Frauen, Nonnen)
in welchen, so weit es möglich war, die Ordensregeln der Mönche nachgeahmt
wurden; einzelne waren Stifte für adelige Fräulein, in welche herunterge-
kommene Familien ihre Töchter versorgten. So waren in dem christlichen
Europa viele tausend Klöster, Denkmäler und Beweise des religiösen Zeitalters,
wenn auch die spätertt Enkel behaupten mögen, manche solcher Stistungen seien
eher Beweise von den Verirrungen des christlichen Gefühls.
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Extrahierte Personennamen: Bruno_von_Rheims Ernst Franz_von_-Assisi Franz Dominikus_Gusmann
283
bürgerliche Obrigkeit hätte einmischen dürfen. Trotz diesen Ketzerrichtern ent-
stand doch eine Sekte um die andere; es bildeten sich auch viele zu geheimen
Gesellschaften aus, deren Mitglieder einander an gewissen Zeichen erkannten
und sich unterstützten, wenn es nöthig war. Viele Sekten, und es scheint die
Mehrzahl, verdeckten auch mit dem religiösen Gewände Laster und unreine
Thaten, wodurch sie um so mehr gehaßt wurden) der Name Ketzer war int
Mittelalter ein arges Schimpfwort.
Die Gottesurtheile.
Eine andere religiöse Verirrung waren die sogenannten Gottesurtheile;
man glaubte nämlich, Gott müsse die Unschuld kund thun, wenn sich Kläger
oder Beklagter an ihn wenden. Angeschuldigte Frauen trugen glühende Eisen
in der Hand, oder gingen über glühende Pstugschaaren, tauchten die Hände tu
siedendes Oel oder heißes Wasser, und in keinem Falle durften sie versehrt
werden, sonst hielt man sie des angeschuldigten Verbrechens für überwiesen.
Die Männer wählten gewöhnlich den Zweikampf, im sicheren Glauben, daß
Gott dem Unschuldigen den Sieg geben werde; dieser Brauch wurde so allge-
mein, daß bei jedem Streite Kläger und Ankläger fochten, oder die Zeugen
ihre Aussage mit den Waffen erhärteten; ja die Weiber selbst schauten sich um
Kämpfer um, welche ihre Rechtssache im eigentlichen Sinne des Wortes aus-
fochten. Die Prozesse wurden auf diese Weise zu kleinen Kriegen; wir aber
haben heutzutage kein Gottesurtheil mehr außer den großen Krieg.
- y ; 77
. • -———
*
:
.
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334
ihm vorlegte, fest zurückgewiesen, man überzeuge ihn denn zuvor des Jrr-
thums. Lurher versprach zu schweigen, wenn seinen Feinden auch Stillschwei-
gen auferlegt werde. Das geschah nicht und der Hader dauerte fort. Eine
Disputation zwischen Luther und dem kampfberühmten Dr. Joh. Eck blieb ohne
weiteren Erfolg, als daß die beiden Theologen arg aneinander geriethen, weil
jeder Sieger sein wollte. Endlich wurde es dem Papst ernst und er erließ eine
Bulle, worin Luthers Lehre verworfen und er selbst zum Widerrufe aufgefo-
dert wurde. Zur Antwort zog Luther mit Magistern und Studenten vor das
Msterthor von Wittenberg, ließ einen Holzstoß errichten und warf die Bann-
bulle und päpstlichen Decretalen ins Feuer den 11. Dez. 1520. Nach diesem
Schritte trat er in Predigt und Schrift viel entschiedener auf; er eiferte gegen
die sittliche Verdcrbniß, den Aberglauben, sprach von der christlichen Freiheit
und von Pfaffentrug, und darüber schrieb er an Volk und Adel in deutscher
Sprache und in einer Weise, wie man es noch nie gehört hatte. Das Feuer,
das in seinem Innern glühte, entzündete Hörer und Leser. Ritter Franz von
Sickingen, Ulrich von Hutten boten Luthern Burg und Schwert an, denn die
Ritter haß en die Fürsten, die geistlichen und weltlichen, und hofften bei der
großen Bewegung den Adel von der Obergewalt der Fürsten wieder frei zu
machen. Auch in den Städten fand Luther vielen Beifall, den Bauern aber
klangen die Worte „christliche Freiheit" wie die Stimme Gottes, die ihnen Er-
lösung aus ihrem Elende verkündete. So stund es, als der Kaiser den Reichs-
tag in Worms versammelte und auch den Dr. Luther vorlud. Dieser machte
sich auf mit sicherem Geleite und dichtete in diesen Tagen sein berühmtes Lied:
„Eine feste Burg ist unser Gott" u. s. w., und als man ihn vor Worms warnte
und an Joh. Huß erinnerte, erwiderte er: ich gehe nach Worms und wenn so
viel Teufel darin sind, als Ziegel auf den Dächern. Luther und der junge
Kaiser waren es, auf welche alles Volk schaute; denn von dem mächtigen Kaiser
erwartete man die Zeilen Karls des Großen, die Vertreibung der Türken, die/
Dämmung der französischen Macht, und was aus Luthern und seinem Werke
werden sollte, das getraute sich niemand vorauszusagen. Als er vor dein
Reichstage zum unbedingten Widerrufe vorgefordert wurde, weigerte er sich
abermals fest, man widerlege ihn denn zuvor aus der heiligen Schrift, oder mit
öffentlichen, hellen und klaren Gründen und Ursachen, „denn," fuhr er fort,
„ich glaube weder dem Papst noch seinen Concilien, weil es offenbar und am
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Extrahierte Personennamen: Franz_von
Sickingen Franz Ulrich_von_Hutten Karls
475
Zwanzigstes Kapitel.
Preußen greift zum Schwert.
Sogleich erhob sich Preußen gegen den Unterdrücker der Nationen und es
trat wohlgerüstet in den Kampf, denn die Tage der Noch und Schmach hatten
das Volk geläutert; Glaube, Gortvertrauen und ernste Sitte waren wieder zu-
rückgekehrt. Das Heer bestand nicht mehr aus angeworbenen Söldlingen, son-
dern aus Landeskindern, denn der Kriegsdienst war Bürgerpflicht geworden;
Scharnhorst ist der Name des Mannes, der Preußens neue Wehrordnung schuf,
welche ganz Deutschland so trefflich dienen sollte. Auch in bürgerlicher Bezie-
hung hatte Stein und Hardenberg das Volk einer besseren Zukunft entgegenge-
führt. Schon am 28. Februar 1813 schloß der König zu Kalisch mit Ruß-
land ein Bündniß und rief sein Volk unter die Waffen. Alles folgte begeistert
dem Rufe; vom Pfluge, aus der Werkstätte, aus dem Hörsale eilten Jüng-
linge und Männer den bezeichneten Sammelplätzen zu; zu den Ungeheuern Ko-
sten steuerte Arm und Reich nach Vermögen Geld, Kleidung, Lebensmittel,
Pferde; es war ein edler Wetteifer, es galt einen heiligen Krieg, Befreiung
der Nation vom fremden Joche. Auch an das übrige Deutschland erging ein
Aufruf in der Proklamation von Kalisch: „Rußlands siegreiche Krieger, be-
gleitet von denen ihres Bundesgenossen, des Königs von Preußen, kündigen
den Deutschen die Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit an. Sie kommen
nur in der Absicht, ihnen diese entwendeten aber unveräußerlichen Stammguter
der Völker wieder erringen zu helfen und der Wiedergeburt eines ehrwürdigen
Reiches mächtigen Schutz und dauernde Gewähr zu leisten. Nur dieser große
und über alle Selbstsucht erhabene und deßhalb ihrer Majestäten allein würdige
Zweck ist es, der das Vordringen ihrer Heere gebietet und leitet/' Daß dieser
Ausruf Anklang gefunden hatte, bewies sich später, für den Augenblick aber
blieb Rußland und Preußen allein. Noch hatte Napoleon alle Festungen von
Wesel bis Danzig besetzt, deren Besatzungen allein weit über 100,000 Mann
betrugen; dazu hob er 300,000 Franzosen aus, der Rheinbund stellte aber-
mals seine Schaaren und für wie viel hunderttausend Mann sollte man ihir
rechnen, den furchtbaren Meister des Kriegs?
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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TM Hauptwörter (200): [T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind]]
Extrahierte Personennamen: Hardenberg Kalisch Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Wesel Danzig Rheinbund
4s7
Mitglied dieses Congresses war auch Benjamin Franklin, an Einfachheit des
Lebens und Tiefe des Geistes den großen Alten gleich; dieser wurde nach Eu-
ropa geschickt, damit er bei Frankreich um Hilfe gegen die Engländer werbe;
dem Georg Washington, einem Pflanzer aus Virginien, übergab der Kongreß
den Oberbefehl des Heeres. Dieser Mann rechtfertigte auch das Vertrauen des
Volkes; er lieferte den wohlgeübten englischen Truppen keine regelmäßige
Schlacht, sondern nur kleine Gefechte, in welchen seine Schützen eine Menge
Offiziere und Soldaten tödteten. Noch übler erging es den englischen Heeren,
wenn sie tiefer in das Land eindrangen; da fanden sie sich bald ohne Lebens-
mittel, von den Amerikanern umringt, die Wege verhauen, so daß den -An-
führern am Ende keine Wahl blieb, als sich zu ergeben.. So erging es zuerst
einem Heerhaufen unter Lord Bourgoyne, der bei Saratoga kapituliren mußte.
Dies Unglück der Engländer weckte ihre alten Feinde auf; zuerst machten die
Franzosen mit den Nordamerikanern Bündniß, dann auch die Spanier und
Holländer und nun scholl der Kriegsdonner um das ganze Erdenrund; in allen
Meeren bekämpften sich die Flotten, in Afrika und Asien wurden die Kolonieen
angegriffen, in Amerika selbst aber mußte der Krieg seine Entscheidung finden.
Neben Washington focht der französische Marquis de Lafayette und der polnische
Hauptmann Thad. Kosciusko; das englische Heer bestand aber größtenrheils
aus Deutschen, welche von ihren Fürsten an die Engländer verhandelt worden
waren. Im Jahre 1781 hatte Lord Kornwallis das Schicksal des Bourgoyne,
er mußte sich in Uorktown den Amerikanern ergeben. Da wurde England des
Krieges müde, denn, obwohl seine Flotten unter dem Helden Rodney auf dem
Meere das Uebergewicht errungen hatten, so konnte es doch kaum mehr die
Kriegskosten aufbringen; es schloß daher 1783 in Versailles Frieden und an-
erkannte die Unabhängigkeit der Bundesrepublik. Ihr erster Präsident war der
edle Georg Washington; er schützte nun sein Vaterland vor der Gefahr bür-
gerlicher Unruhen und erhielt das Heer bei seiner Pflicht; denn es murrte über
schlechten Dank für so viele Jahre des Kriegs und der Gefahr und bot ihm die
Diktatur an. Seine Landsleute bauten ihm zu Ehren die Bundesstadt Was-
hington, sie errichteten ihm Bildsäulen, und ihre Staatsmänner haben an ihm
ein edles Vorbild. Damals harten alle Bundesstaaten zusammen genommen
kaum 4 Millionen Einwohner, jetzt mehr als 18; die Flüsse sind mit Kanälen
verbunden, auf den Eisenbahnen braust der Dampfwagen, auf den Flüssen das
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